Jerzy Zakrzewski

1928–2019

Zakrzewski
Jerzy Zakrzewski, nach der Befreiung
© Marek Zakrzewski

Jerzy Zakrzewski kommt im Sommer 1928 in ­Warschau zur Welt. Sein Vater ist Eisenbahner, und seine Mutter verdient mit Näharbeiten etwas zum Familieneinkommen dazu. Jerzy Zakrzewski hat zwei ältere Brüder und einen Adoptivbruder. Im September 1939 erlebt er als 11-Jähriger beim Fußballspielen seinen ersten deutschen Luftangriff auf Warschau.

1943 tritt er in die Pfadfinderbewegung „Szare Szeregi“ („Graue Reihen“) ein, wo er eine umfangreiche militärische Ausbildung erhält. Die Pfadfinder sind Teil der polnischen Heimatarmee, einer militärischen Widerstandsorganisation, die für die Befreiung Polens von der deutschen Besatzung kämpft. Im August 1944 beginnt sie den Warschauer Aufstand. Auch Jerzy Zakrzewski kämpft unter dem Decknamen „Młotek”.

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Polnische Bewohner errichten Barrikaden, Warschau im Spätsommer 1944. Am 1. August 1944 beginnt der Warschauer Aufstand. In den ersten Tagen gelingt es der polnischen Heimatarmee, strategische Gebäude zu besetzen und ganze Stadtviertel unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Zivilbevölkerung unterstützt sie bei der Errichtung von Straßensperren, der Versorgung mit Lebensmitteln und der Pflege von Verletzten. Doch der Versuch, die polnische Hauptstadt zu befreien, scheitert.
© Muzeum Powstania Warszawskiego
 

„Man kämpfte die ganze Zeit mit dem Tod. Am Anfang bauten wir Barrikaden zur Verteidigung gegen angreifende Deutsche. In der ersten Nacht eroberten wir ein paar deutsche Lkws und damit auch Waffen. Die deutsche Lkw-Besatzung wurde getötet. Zunächst hatten wir sehr große Erfolge, diese Erfolge haben uns in einen Rausch versetzt. Mit der Zeit wurde es immer brenzliger, sodass etliche unserer Kameraden, vor allem Pfadfinder, starben.“
Interview von Małgorzata Brama mit Jerzy Zakrzewski über den Warschauer Aufstand, 2005

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Soldaten der Heimatarmee ziehen am Oberbefehlshaber Tadeusz Komorowski (Deckname „Bor“) vorbei, der ihnen für ihren Einsatz dankt, 4./5. Oktober 1944. Zwei Tage zuvor hat die polnische Heimatarmee kapituliert und ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Die 16.000 Aufständischen erhalten Kombattantenstatus und gehen in die deutschen Stamm- und Offizierslager für Kriegsgefangene.
© Muzeum Powstania Warszawskiego
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Transport von Kriegsgefangenen, Bahnhof Märzfeld in den 1940er Jahren
© Geschichtsarchiv Langwasser
 

„Wir fuhren sechs Tage mit dem Zug. Sie gaben uns nichts zu essen. Sechs Tage lang aßen wir nichts. Auch in Nürnberg warfen die Deutschen die Leute aus den Waggons, die sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten. Später kamen Bauernfuhrwerke und brachten sie ins Lager. Ich lief ins Lager. Warum lief ich ins Lager? Ich hatte noch 500 Złoty in Besatzungsbanknoten dabei, solche steifen. Und in der Nacht sammelte sich Tau auf dem Dach. Und ich steckte diese Banknote durch ein Loch, die Tautropfen flossen hinein, und diese 20, 30 Tropfen trank ich jeden Tag im Waggon, und deshalb war ich stärker als die, die nicht mehr laufen konnten.“
Jerzy Zakrzewski über seinen Transport ins Stalag XIII D Nürnberg-Langwasser

Mit der Kapitulation der Heimatarmee im Oktober 1944 gerät er in deutsche Gefangenschaft und kommt im November des Jahres in das Stalag XIII D Nürnberg-Langwasser. Als einfacher Soldat muss er arbeiten und wird zu Enttrümmerungsarbeiten in der Stadt eingesetzt.

„Am Morgen nach der Bombardierung gab es einen Appell, und man fuhr uns in Lkws, in Gruppen von 20, 30 Leuten, in die Stadt. Dort teilte man uns in bestimmte Karrees ein, gab uns eine Schaufel in die Hand, und dann mussten wir schippen und in Keller vordringen. In den Kellern stöhnten Menschen, schrien Menschen, die noch lebten, aber verschüttet waren. Das war die Bombardierung zum Jahreswechsel 1944/45, daran erinnere ich mich bis heute. Ich weiß sogar noch, dass mir eine Deutsche etwas zu essen anbot, weil ihr Mann da lag. Wir haben viele Leute ausgegraben. Die Deutschen wussten sich nicht selbst zu helfen, denn es gab keine Männer, es waren nur Kinder und Frauen. Auf jeden Fall habe ich sie gern ausgegraben, obwohl es Deutsche waren. Es waren schließlich Menschen.“
Jerzy Zakrzewski über die Enttrümmerungsarbeiten nach dem Luftangriff vom 2. Januar 1945, bei dem die Nürnberger Altstadt weitgehend zerstört wurde und viele Bewohner ums Leben kamen

Nach dem Krieg bleibt er zunächst im Nachkriegsdeutschland, besucht die Schule und macht Abitur. 1947 kehrt er nach Polen zurück, wo er studiert und als Ingenieur arbeitet. Er heiratet und zieht zwei Söhne groß. Jerzy Zakrzewski stirbt im März 2019.

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Jerzy Zakrzewski (Erster von rechts) im Lager Langwasser, 1945. Nach der Befreiung im April 1945 entsteht hier eine wichtige Sammelstelle zur Rückführung von polnischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern.
© Centralne Muzeum Jeńców Wojennych
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Jerzy Zakrzewski (Erster von links) im Lager Langwasser, 1945
© Centralne Muzeum Jeńców Wojennych

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